Zeugniscode: Wie ist mein Arbeitszeugnis wirklich zu deuten?

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© Mari Helin-Tuominen
Verfasst von Stefan Gerth

In kaum einem Arbeitszeugnis werden Sie klare Worte darüber finden, wenn ein Arbeitnehmer mit Ihnen unzufrieden war. Das liegt daran, dass Zeugnisse oft in verschlüsselter Sprache, so genannter Zeugnissprache, geschrieben werden.

Im Folgenden entschlüsseln wir diese Codes, damit du dir sicher sein kannst, was dein Arbeitszeugnis wirklich über dich aussagt.

Zeugniscode in Arbeitszeugnissen

Der sogenannte Zeugniscode ist entstanden, da das Gesetz einen klaren Widerspruch erzeugt. Einerseits verlangt es, ein Zeugnis müsse »wahr« sein, um Ihren neuen Arbeitgeber zu unterrichten, andererseits soll es »wohlwollend« sein, um die weitere berufliche Laufbahn vom Mitarbeiter nicht zu erschweren.

Beurteilungen werden daher durch bestimmte standardisierte Formulierungen ausgedrückt – eine Farce, da jeder sie in Büchern nachschlagen kann und sie daher ein offenes Geheimnis sind.

Zeugniscodes als »Schulnoten« im Arbeitszeugnis

Es wurden bereits Bücher zum Arbeitsrecht verfasst, in denen man die Interpretationen zu den jeweiligen Formulierungen nachschlagen kann. Es ist erstaunlich, wie viel kleine Unterschiede in einer Formulierung ausmachen können.

Das Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Arbeitskollegen …

war stets vorbildlich sehr gut
war vorbildlich gut
war stets einwandfrei voll befriedigend
war einwandfrei befriedigend
war ohne Tadel ausreichend
gab zu keiner Klage Anlass mangelhaft

Außerdem existiert eine Notenskala für die Formulierung von Leistungen:

… stets zu unserer vollsten Zufriedenheit sehr gut
… stets zu unserer vollen Zufriedenheit gut
… zu unserer vollen Zufriedenheit voll befriedigend
… stets zu unserer Zufriedenheit befriedigend
… zu unserer Zufriedenheit ausreichend
… im Großen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit mangelhaft
… bemühte sich, den Anforderungen gerecht zu werden ungenügend

Darüber hinaus gibt es weitere Möglichkeiten für den Arbeitgeber, mit harmlos klingenden Formulierungen negative Aussagen zu treffen. Somit gibt das Fehlen bestimmter Standardformulierungen Ihrem potenziellen neuen Arbeitgeber Hinweise. Etwa wenn bei einem Verkäufer nicht von erfolgreichen Abschlüssen oder bei einem Bankangestellten nicht von Kundenorientierung die Rede ist.
Eine andere Methode ist es, völlig unwichtige Details wie die Pünktlichkeit in den Vordergrund zu stellen. Steht bei einer Aufzählung von Tätigkeiten das Unwichtige am Anfang? Dann weiß der geübte Leser sofort: Die Leistung wird hier als ungenügend dargestellt.
Zudem sind passive (»wurde mit XY beauftragt«), einschränkende (»gegenüber Kunden war sie stets hilfsbereit« = gegenüber Vorgesetzten und Kollegen war sie es nicht?) sowie negative Formulierungen (»… gab es nichts zu tadeln«) stets zu vermeiden.

Geheimcode in Arbeitszeugnissen

Über den Zeugniscode hinaus gibt es einen sogenannten Geheimcode im Arbeitszeugnis. Da dieser verboten ist, wird er heute kaum noch benutzt; vielleicht betrifft der Code aber eines Ihrer älteren Arbeitszeugnisse. Beispiele für den Code sind »gesellig«für »trinkt gerne Alkohol« oder »kontaktfreudig« für »quatscht zu viel«. Mit viel Fantasie kann man sich so etwas noch zusammenreimen.

Arbeitszeugnis gezinkt mit verbotenen Geheimzeichen

Neben dem Geheimcode, findet man sehr selten ebenfalls Geheimzeichen, die dem Personaler verschiedene Signale geben können:

  • Zwei Punkte am Satzende können bedeuten: Hier gäbe es noch mehr zu sagen.
  • Eine Telefonnummer mit Durchwahl des Vorgesetzten, eventuell sogar unterstrichen, lädt zu Nachfragen ein.
  • Häkchen links und rechts zeigen die Parteizugehörigkeit an.
  • Hervorhebungen durch Kursivschrift, Frage-, Ausrufungs- und Anführungszeichen bringen zusätzliche Wertungen ins Spiel.
  • Mit »ausgerutschten« oder zu tief stehende Unterschriften distanziert sich der Unterschreibende vom Gesagten.

Weitere Geheimcodes im Arbeitszeugnis

Auch diese Formfehler bieten dem zukünftigen Chef Möglichkeiten, im Arbeitszeugnis mit dem Zaunpfahl zu winken:

  • ein einfaches weißes Blatt statt des üblichen Firmenbriefbogens
  • eine schlechte Kopie statt eines Originals (wenn auch ordnungsgemäß unterschrieben)
  • Handschrift anstelle von Maschinenschrift bzw. Computerausdruck
  • Unterschrift durch einen Mitarbeiter, der Ihnen gegenüber nicht weisungsbefugt war
  • Radierungen, Durchstreichungen, Ausbesserungen
  • Flecken
  • Grammatik- oder Rechtschreibfehler

All das kann versehentlich passieren, in seltenen Fällen aber auch dem Rachebedürfnis Ihres Arbeitgebers entspringen. Sie haben auf jeden Fall das Recht, Ungereimtheiten und Formfehler im Arbeitszeugnis vom Arbeitgeber korrigieren zu lassen, um über jeden Verdacht erhaben zu sein!

Achtung vor dem Gefälligkeitszeugnis!

Auch ein vor Lobeshymnen überschäumendes Zeugnis kann negativ ausgelegt werden: als sogenanntes »Gefälligkeitszeugnis«. Der geschulte Personaler erkennt es daran, dass pauschal klingende Superlative oder gar ­Übertreibungen aneinandergereiht werden, ohne dass der Arbeitnehmer persönlich gewürdigt wird. Ein solches Zeugnis wird öfter bei Insolvenzen und betriebsbedingten Kündigungen ausgestellt.

Fazit

Wenn du also in Zukunft eines deiner Arbeitszeugnisse einer Bewerbung beilegen möchtest oder eine neues ausgestellt bekommst, solltest du es nicht nur oberflächlich durchgelesen haben und blind deinen Bewerbungsunterlagen beifügen. Werde dir darüber bewusst, was dein Arbeitszeugnis über dich aussagt und ob es eher für oder gegen dich spricht.


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